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Grossratskommentar 3. Mai 2022

Grossratskommentar 3. Mai 2022

Standesinitiative Aufhebung Kernenergieverbot - Verpasste Chance, auch für den Bezirk!

Grossratskommentar vom 3. Mai 2022

gelesen in "Die Botschaft", Ausgabe Sa. 7. Mai 2022

Am vergangenen Dienstag trafen wir uns für eine halbtägige Grossratssitzung anschliessend fanden die Fraktionsausflüge statt.

 Die reich gefüllte Traktandenliste war eine Herausforderung. Nicht an der Fülle der Traktanden sondern die aufgeführten Geschäfte. Zwei Drittel der Traktanden bestanden aus Interpellationen. Hier können jeweils die Sprecher eine kurze (max. Redezeit beträgt 3 Min.) Rückmeldung geben ob sie mit der Antwort des Regierungsrates zufrieden, teilweise zufrieden oder nicht zufrieden sind. Im Weiteren finden jeweils bei diesen Vorstössen keine weiteren Diskussionen statt.

Dies mag so erscheinen, als wären wir an einem Fliessband und arbeiten die Vorstösse ab. Entsprechend ist die Aufmerksamkeit im Grossen Rat und die Gespräche in den Sitzreihen fast lauter als diejenige der sprechende Person am Rednerpult.

Ablehnung Standesinitiative zur Aufhebung des Kernenergieverbotes

Gerne greife ich jedoch ein Thema auf welches für unseren Bezirk eine grosse Bedeutung hat und zurzeit viel zu reden gibt.

Die SVP Fraktion hat einen Antrag auf Direktbeschluss eingereicht, betreffend Standesinitiative zur Aufhebung des Verbotes der Erteilung von Rahmenbewilligungen für Kernkraftwerke.

Falls die Erheblicherklärung durch den Grossen Rat befürwortet würde, wird das Geschäft an die Kommission UBV delegiert mit dem Auftrag dem Grossen Rat innert 4 Monaten einen Bericht und Antrag zu unterbreiten.

Wir von der FDP Fraktion haben diese Standesinitiative einstimmig unterstützt. Gerne erläutere ich kurz weshalb es für uns die Unterstützung wichtig war und wir sehr erstaunt waren, dass alle anderen Fraktionen sich dagegen entschieden haben.

Die Erheblichkeit wurde mit 64 Ja und 70 Nein abgelehnt.

Der Bund hat letztes Jahr kommuniziert, dass der Schweiz eine Strommangellage droht. Für viele ist dies keine Überraschung, ist dies doch bereits seit 2017 bekannt, dass der Strom ab 2023 knapp werden wird, sobald Deutschland die Kernkraftwerke abgestellt hat. Dies hat auch primär nicht mit dem gescheiterten Stromabkommen zu tun, sondern ist einfach mit der Tatsache, dass rein physikalisch zu wenig Strom im System sein wird.

Die Energiestrategie 2050 ging davon aus, dass wir ab 2035 zur Behebung der Winterstromlücke Gaskombikraftwerke benötigen würden. Nur wurde dies wissentlich dem Volk vor der Abstimmung 2017 verschwiegen. Die Energiestrategie ging auch vom Irrtum aus, dass der Stromverbrauch künftig sinken würde. Doch alle, die sich nur ein wenig mit der Materie befasst haben, wussten, dass dem nicht so sein würde. Denn wer Klima- und Energiepolitik gemeinsam versteht und lebt, der weiss, dass zur erfolgreichen Dekarbonisierung eine Elektrifizierung Mobilität und der Wärmeerzeugung notwendig sein wird.

Wir haben also nicht einfach nur ein kurzfristiges Problem der Strommangellage, sondern auch mittel- bis langfristig ganz einfach zu wenig Strom im Winter.

Für die FDP und für mich ist es klar, dass der historische Fehler von 2017 rückgängig gemacht werden muss. Das Verbot der Kernenergie im Kernenergiegesetz gehört aufgehoben. Gewiss, die Kernenergie löst uns nicht das kurz- und mittelfristige Problem der Stommangellage, deshalb haben wir auch Vorbehalte gegenüber der Begründung dieses Vorstosses der SVP-Fraktion.

Die Kernenergie kann aber Teil der Lösung sein, bis 2050 das klimapolitische Ziel von Netto-Null zu erreichen. Reaktoren der vierten Generation haben ein riesiges Potential, unseren weltweiten Energiehunger zu stillen. Hierfür ist aber die Kernenergie-Forschung zentral. Und obwohl wir mit dem PSI eine internationale Kapazität auf diesem Gebiet im Aargau domiziliert haben, wird in diese Forschung nicht investiert, weil die Anwendung in der Schweiz verboten ist. Deshalb ist dieses illiberale Technologieverbot und faktische Forschungsverbot sofort aufzuheben. 

Dass dies nicht irgendeine Träumerei oder Behauptung der FDP ist beweist dass die EU die Kernenergie als grüne Technologie einstuft. Neben der EU-Kommission begrüssen in halb Europa Gründe und Sozialdemokraten diese Technologie: Schweden, Finnland und Tschechien. Der Weltklimarat sieht die Kernenergie als Teil der Lösung, um das Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen. Ja selbst die Initiatorin der Schulstreiks für das Klima, Greta Thunberg, teilte im März 2019 in einem Facebook-Post mit, dass der Kernenergie eine Rolle bei der CO2-freien Energiepolitik zukomme.

Wir von der FDP Aargau haben uns immer für eine Klima- und Energiepolitik stark gemacht, die auf Innovationen setzt, Forschung unterstützt und die Hürden für erneuerbare Energie senkt. Deshalb hat die FDP Aargau im März auch ein Paket mit 13 Vorstössen hier im Grossen Rat eingereicht. Die Energiestrategie 2050 habe ich wie die FDP Aargau klar abgelehnt, weil sie nicht zu Ende gedacht ist und die Ziele der Klimapolitik völlig ausser Acht lässt. Das wichtigste in der Sache ist aber auch, dass das Aargauer Stimmvolk die Energiestrategie ebenfalls abgelehnt hat.

Hier geht es nicht nur um die Frage, ob wir das Netto-Null-Ziel bis 2050 unter allen Umständen erreichen wollen oder nicht. Mit der Befürwortung der Erheblicherklärung kann der Grosse Rat beweisen, ob es uns ernst ist oder nicht. Die Schweiz baute schon immer auf einen diversifizierten Strom Mix und ist damit sehr gut gefahren. Auch künftig brauch die Schweiz einen Strom Mix, der zwar deutlich mehr erneuerbare Energien beinhalten soll als bisher, aber auch Kernkraftwerke der vierten Generation darf uns soll Teil davon sein.

In nächster Zeit werden wir über einen Klimaschutzartikel in der Kantonsverfassung debattieren, eine Klimakapitel im Richtplan einführen und über viel Geld für Gebäudesanierungen befinden, um den CO2-Ausstoss zu reduzieren. Ebenfalls ist selbst den Kolleginnen und Kollegen von Mitte- bis Grün-/Linksfraktionen ob der drohenden Strommangellage nicht mehr wohl.

Deshalb erstaunten mich die Voten gerade von diesen Fraktionen am heutigen Tag.

SP votierte, dass wir uns über einen Volksentscheid hinwegsetzen und an der Bevölkerung vorbei politisieren. Frau/Mann kommt nicht aus dem Staunen. Wie erwähnt nehmen wir unsere Wählenden sehr ernst, denn wie erwähnt, hat das Aargauer Stimmvolk die Energiestrategie sehr deutlich abgelehnt.

Ein weiteres Votum gab zu reden. Die Mitte argumentierte, dass das Technologieverbot nicht aufgehoben werden muss, es könne ja trotzdem in dieser Sache geforscht werden. Was habe ich hier nicht verstanden? Das ist ja wie wenn ich einem Schüler auf der Suche nach einem Ausbildungslehre empfehle; „Mach eine Malerlehre – im Wissen, das es anschliessend den Malerberuf gar nicht mehr gibt!“

Ich kann hier nur empfehlen, dass wir endlich die Scheuklappen ablegen und aufhören, einzelne Technologien zu verbieten, die Teil der Lösung sein können.

Mit dieser Ablehnung haben wir es im Kanton Aargau als Energiekanton leider verpasst, Bundesbern den Auftrag zu erteilen, das illiberale Technologieverbot abzuschaffen.

In der Wirtschaft wie auch im privaten überprüfen wir ständig, ist der eingeschlagene Weg noch richtig oder müssen wir hie und da auch Anpassungen vornehmen, da sich die Gegebenheiten verändert haben, oder sogar Fehleinschätzungen in der Vergangenheit gemacht wurden.

Im Grossen Rat haben wir diese Chance der Korrektur am letzten Dienstag leider verpasst. Hier hätte ich mir etwas mehr Mut einiger bürgerlichen Stimmen im Grossen Rat gewünscht aus der Mittefraktion, welche leider geschlossen abgelehnt hat, damit wir hier endlich einen Schritt weiter kommen und es nicht nur immer bei ständigen diskutieren bleibt. Ich bin der Meinung, hier müssen wir endlich zum Handeln kommen.

Nach einem angeregten Diskussionsmorgen konnten wir am Nachmittag unsere Fraktionsausflüge geniessen. Unsere FDP Fraktion durften den Nachmittag im Bezirk Baden verbringen. Ein grosses Dankeschön an die Organisatoren. Wir durften einen spannenden Nachmittag mit vielen spannenden Gesprächen und regen Austausch geniessen.

Claudia Hauser, Grossrätin FDP

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